Freitag, 17. Oktober 2014

Revisionierung empfohlen: The West Wing

Es gibt viele Gründe für Revisionierungen von Serien. Vieles schaut man ja ohne es im Moment der Erstausstrahlung richtig zu begreifen - weil man zu jung ist, weil man den Inhalt der Serie noch nicht richtig schätzen kann, weil man den Plot verschlingt ohne richtig delektieren zu können - und da hilft eine Neubetrachtung. Natürlich gibt es auch die Revisionierung aus romantischen Gründen, man schaut Dallas um sich in die Zeit der Schulterpolster zu versetzen. Und man revisioniert, um Schauspieler_innen, die einem beim erstmaligen Schauen eigentlich entgangen sind, in der Retrospektive zu betrachten, einige Posts dieses Blogs haben sich dem Phänomen schon gewidmet.
The West Wing (Aaron Sorkin) also, alle denken an Sam/Rob Lowe und an den Präsidenten/Jed Bartlett/Martin Sheen und eventuell noch an die ganz und gar wunderbare Pressesprecherin C.J./Allison Jenney. Aber wieder anschauen muss man sich diese gefühlten hunderttausend Folgen wegen jenen (nur 25!) Episoden, in denen des Präsidenten Tochter Zoey auftritt, gespielt von Mad Men "Peggy Olsen" Elisabeth Moss. Erst wenn man dieses Mischung aus good girl und idealistische Kämpferin, aus "armes reiches Mädchen" und "i am so priviledged Gutmenschin, aus naive Kindfrau und sexy Lolita gesehen hat, wird man die Figur der Peggy Olsen in Mad Men erst so richtig fassen können. Fast könnte Zoey zu Peggy geworden sein: Der Präsident wird gestürzt, seine Tochter entzweit sich mit ihm, nimmt einen anderen Namen an, zieht nach New York, verliebt sich in den Falschen, wird schwanger, muss das Kind in Pflege geben und einen Job als Sekretärin in einer Werbeagentur auf der Madison Ave annehmen. Ein kleiner Time Wrap aus ca 30 Jahren genügt.
Also: ran an die Geräte, und West Wing revisionieren.

Samstag, 14. Juni 2014

NYC - Nashville

Beim Frühstücks-Blick auf den Central Park entsinne ich mich dieses Blogs und denke: der perfekte Ort, um endlich wiedermal zu posten. Jedoch keine NYC Serie sondern "Nashville" war/ist die aktuelle Droge der Wahl.

Endlich, endlich ist Connie Britton (siehe Eintrag "Serientrauerarbeit/Friday Night Lights") Star und nicht Co-Star (und Wife). Als Queen of Country schupft sie stets cool und kompetent den Laden, der aus 2 Kindern, Ex-Mann, Ex-Lover, new Lover und Manager besteht. Es ist einfach wunderbar, ihr zuzuschauen, wie sie bei sich bleibt, wenn die junge Schlagerstar-Hoffnung zur Konkurrenz wird. Frau Britton hat die Serie mitproduziert, was vielleicht der Grund dafür ist, dass ihre Figur Ryna James so un-ambivalent gut ist. Nervenaufreibend gut manchmal, und nur für eingefleischte CB Fans (ich) erträglich.
Byproduct (funny: eigentlich Hauptsache) der Nashville-Sucht: ein Country Afficionadamento. Die Serie fädelt in der ersten Episode die erste Country-Nummer dramaturgisch so geschickt ein, dass am Ende der Folge, wenn dann so richtig musikalisch losgelegt wird, so etwas wie eine Wunscherfüllung passiert: man wollte schon 40Minuten lang hören, worum das alles hier geht, womit das viele Geld gemacht und die harten Intrigen angezettelt werden, weshalb Lieben in die Brüche gehen und Leidenschaften entflammen. In Nashville.
Ach, und bevor ich es vergesse: dass dies eine all-whitey-serie ist, dem ami-nationalismus gefröhnt wird, ironiefrei die Army bewundert und Schwule ein echt hartes Leben haben ist irgendwie selbstredend. Schliesslich werden hier die Imagines des "Country" seriell erzählt.

Mittwoch, 2. Januar 2013

Sex auf Vorrat: Parade's End

BBC2's Verfilmung von Ford maddox Fords Abrechnung mit den Tories der 1910er Jahre (tolles Script von Tom Stoppard) beginnt mit einer Serie heißer sexszenen, die in den herrlichen Kostümen der Britisch Upper Class besonders gut kommen. Insbesondere das spontane Stelldichein im Zugabteil zwischen Christopher und Sylvia scheint auf viel derartiges Kommendes zu deuten. Dass der Protagonist seine Geliebte, die Sufragette, dann drei Staffeln nicht einmal küssen wird, ist daher unvermutet. Umso wichtiger der Sexeinstieg in den 5 Teiler. So ist man sich des leidenschaftlichen aber so very british style unterdrückten Begehrens in der visuellen Erinnerung gewiss. Ein dramaturgischer Kunstgriff, der mit Lars van Triers Anfangssequenz von Antichrist ein filmhistorisches Referenzbeispiel bekommen hat.

Borgen, endlich

Nachdem alle borgen schon gesehen haben, beginnt nun auch endlich diese seriensüchtige damit. Schön, wie die ganzen Schweden- und Dänen Krimis auch hierzulande ein Personal von SchauspielerInnen bekannt gemacht haben, die man in borgen wiedersieht. Schön auch, wie flott die Dialoge geschrieben sind, Westwing lässt Grüßen. Dass die stilistisch visualisierte Realitätsnähe zu wünschen übrig lässt, ist vielleicht dem serienbeginn geschuldet und der noch nicht ganz eingetretenen Suspension of Disbelief: dass sich ein Premierminister derart ohnmächtig von einer VISA-Kartenrechnung zu Fall bringen lässt, dass eine Parteiführerin noch nicht weiß, dass Verhandlungsführung vom Kopf des Tisches unternommen werden muss, und dass ihr Good Husband für jede Stresssituation nicht nur gute Ratschläge (die eigentlich in ihrem Parteiprogramm stehen müssten, zB dass sich Frauen bei Jobinterviews unter ihrem Wert verkaufen) sondern auch noch authentisch wirkende Sexangebote parat hat, ist schon ziemlich krass gebrochene Verisimilität der kulturellen Wirklichkeit der Serie. Aber lets see. Die Lust aufs weiterschauen ist dennoch groß.

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Neue Drogen

Gibt es was schöneres als spätnächtens auf einer medienwissenschaftlichen Tagung sachdienliche Hinweise für neue suchtmittel zu bekommen? "Hit and Miss", mit chloe sevigny als auftragskiller-transe. Bald auf diesem Kanal. Danke Melanie.

Staffelanfang Bsp Homeland

Die Vorlieben bezüglich des Beginns einer neuen, sagen wir einer zweiten, Staffel gehen bekanntermaßen auseinander. Während die einen den unmittelbaren Anschluss an die vorherige staffel lieben und möglichst keine Inkongruenz von erzählzeit und erzählter zeit wollen - das heißt die Senderäume zwischen zwei Staffeln wegfiktionalisiert sehen mögen, schätzen die anderen, wie ich, eine repräsentation der zeitdifferenz zwischen der letzten Episode der alten staffel und der neuen Episode einer neuen Staffel ungemein. Es ist doch viel spannender, das Spiel des clue guessings wieder erneut aufnehmen zu müssen und erst nach und nach zu erfahren was in der nicht dargestellten Handlung, die aber ja ohne unser zuschauen den Figuren irgendwie zugesetzt hat, passiert ist, wie sich die Figuren entwickelt haben und welche weichen in der Digest gestellt wurde.

Bravo also für Homeland, Staffel 2. Der Faden wird nach vielleicht einem halben Jahr wieder aufgenommen, es wurde uns erspart zu sehen, was Carrie durchmacht in der Hingabe an den völligen Vertrauensverlust ihrer eigenen Wahrnehmung. Wir erahnen dass es eine schmerzlicher weg war, etwa an der Besorgnis ihre schwester, der Ärztin, als Carrie wieder hineingeworfen wird in diese leben voller übereinander geschichteter Doppelbödigkeiten. Am Sonntag gibt's die zweite Episode.

Sonntag, 23. September 2012

The Newsroom Staffel 1 Episode "Bullies"

Die Demonstration dass Will ein wirklicher "Bullie" des Interviews ist erfolgt natürlich mit einem Interviewpartner der nicht nur schwarz sondern auch schwul ist.
 
Immer noch dient also Homosexualität am besten dazu, Lebenslügen und widersprüchliche Moralvorstellungen aufzudecken, in diesem Fall bei einem schwarzen schwulen Republikaner. Schaurig gut.

Montag, 17. September 2012

Game of Thrones

Die Kreuzung aus Borgias und Herr der Ringe. Bemerkenswert: die vielen Arten mit einem Mittelalterlichen Schwert den Tod eines Feindes herbeizuführen: Kopf abschlagen, von oben nach unten aufschlitzen, von unten nach oben aufschlitzen, Körper in der Mitte zerteilen, Schwert von oben in den Kopf stechen, mit dem Schwert von vorne ins Gesicht stechen, einen Fuß abhacken und dann von hinten in den Körper stechen, mehrere Köpfe auf einmal abschneiden, mehrere Körper auf einmal durchstechen. Ausserdem bemerkenswert: die Geburt der Drachen aus den versteinerten Dracheneiern. Dass es sogar in diesem mittelalter swashbuckle splatter-trash (die zwei hintereinander ohne unterlass gesichteten staffeln verschafften der Autorin hohes Schauvergnügen) ein schwules Paar gibt, wundert natürlich gar nicht. Dass der eine der beiden der "flowery knight" ist, der hippyesque zum Turnier erscheint und voller Intrige und Hinterlist den Turnierchamp besiegen kann, verwundert auch gar nicht. Dass sein schicker schwuler Freund den Machtanspruch stellt und König werden will, dann schon eher. Doch um dem Klischee gerecht zu werden, wird ihm das natürlich versagt (schwuler König, wo gibts denn so was). Er wird nämlich zuvor mit dem Schwert... nein, gar nicht wahr, er wird ja von einem seltsamen schwarzen Wesen erwürgt. Die Penetration mit dem Schwert wäre dann doch zu schräg gewesen.

Montag, 19. September 2011

Das Netz des seriellen Erzählens

Das serielle Erzählen ist mit einem Netz zu vergleichen, das, gleich welchen Inhalts, die selben Verzweigungen nimmt, nach den selben Regeln der Figureneinführung, Entwicklung, usw. funktioniert und das durch die ganz bestimmte Dramaturgie der aufeinanderfolgenden Einzelfolgen einen festen Halt gibt. Je mehr Serien man schaut, so scheints mir, desto deutlicher erscheint dieses Netz und desto verschwommener geraten die jeweiligen Sujets, Figuren, Handlungsstränge. Nach der 10 Episode von "The Borgias" meine ich mich eigentlich in "Big Love" zu befinden: die religiöse Patchworkfamilie. Ob Mormonenunternehmer oder römisch-katholischer Papst, ob Zweit- und Drittfrau oder Kurtisane und Mätresse. Ausserdem sieht die Darstellerin von Lukretia Borgia Amanda Seyfried aus BL zum Verwechseln ähnlich. Zugegeben, die fetten Hummer-Autos der Compound sind mit den feschen Hengsten des Vatikans schwer zu vergleichen. Aber zu vorgerückter Stunde fliesst selbst das ineinander....

Donnerstag, 11. August 2011

Neue Serie: Jackies Schwestern (ORF, ab März 2012)

Grossartig! Endlich eine ORF Serie, die die Genrebezeichnung verdient, erdacht nach dem HBO Vorbild mit Edie Falco: Wir befinden uns im AKH, die wunderbare Innenarchitektur mit Farbleitsystem und Fahrstegen gibt Mad Men artige Serieninterieurs, ein ausgeklügeltes Lichtsystem schafft den ganz spezifischen Look (irgendwas zwischen Postmoderne und Osteuropa-Charme), die (wenigen) Aussenaufnahmen zeigen ein durch und durch klischeefreies Bild vom Wiener Gürtel (keine Strizzis, kein Rotlicht, kein Wiener Schmäh).

Zur Handlung: Jackie, Oberschwester im ER des AKHs führt ein strenges Regiment. Ihre Schwestern und Pfleger verehren sie (keine ist so tough, so kompetent), fürchten sie und lieben sie. Ihre Lebensgefährtin (Richie) ist Assistenzärztin (sexy, immer in Prada und Jil Sander gekleidet), was die Beziehung spannend hält. Jackie hat eine Affäre mit dem AKH-Geschäftsführer, eine berufliche Überlebensnotwendigkeit, da Jackie dunkle Geheimnisse hat, die nach und nach vor den ZuschauerInnen gelüftet werden. Leider auch nach und nach vor Richie.... . Wesentlicher Handlungsbackdrop für die Beziehungsgeschichte ist allerdings der Mikrokosmos des AKH, der Spagat zwischen High-Tech-Medizin, internationalen Top-ExpertInnen, die dort Arbeiten, und österreichischem Kleinmut: immer noch verbotene IV-Fertilisation für unverheiratete Frauen (1 Folge auf der Gyn), Budget-Cuts im Bildungssystem (3 Folgen in den Hörsälen der Krankenschwesternschule), Glass Ceiling (Richie will selbstverständlich Oberärztin werden) usw.

Nach jahrelangem finanziellen, politischen und szeneintriganten Investment - man musste verhindern, dass Drehbuchflaschen wie Felix Mitterer, Götz Spielmann oder Dany Krausz in die Nähe der Serie kommen - ist es nun soweit, die erste Staffel ist nahezu fertig produziert und zur Ausstrahlung bereit. Regie führten Größen wie Sabine Derflinger, Barbara Albert, Katherina Mückenstein, Jessica Hausner u.v.a. Die Serie, und das ist das wirklich erstaunliche, nimmt ihre Gegenstände Ernst und handelt diese unter Verzicht auf den ansonsten so überaufdringlichem österreichischen "Schmäh" ab. Der Humor der Serie ist hochschwellig, intelligent-ironisch und teilweise brutal. So muss öffentlich-rechtliches Fernsehen sein. Chapeau!

Dienstag, 9. August 2011

Neuer Begriff: Serientrauer(arbeit)

Neulich, bei mir zu Hause: Ich sah die letzte Folge der fünften Staffel meiner Sommerserienlektüre, Friday Night Lights http://www.imdb.com/title/tt0758745/, an. Titel der Episode: "Always" (sic!). Während der 10minütigen amerikanischen Montage, die nahe allzu Figuren, die jemals in der Serie aufgetreten sind, nochmal Revue passieren lässt, heulte ich Rotz und Wasser. Während der Schlusstitel fühlte ich mich leer. Verlassen. Traurig.
Nie wieder würde ich Coach Eric Tayler bei seinen Pep Talks für die Teenie-Footballer beobachten, nie wieder seiner schöne, perfekte, kompetente, und nur manchmal in ihrer Hausfrauenpsychologie nervenden Tami bewundern. Nie wieder würde ich meinen love-interest Tyra (sie musste ohnehin in der dritten Staffel aussteigen. Warum??) anschmachten können, nie wieder die pickeligen Jungs, die sich vergeblich um sie bemühen, verachten können. Ich werde nun nie erfahren, wie Erics und Tamis Tochter Julie die Universität übersteht, ob sie mit Matt wirklich zusammenbleiben wird und wann sie schwanger wird (schon im 1. oder erst im 2. Semester?). Ich werde nicht erfahren, ob Buddys Sohn ("Buddy Jr.") sein Drogenproblem in Texas auskurieren könnte, und vor allem werde ich nicht wissen, wie Tims Haus aussehen wird, das er grade zu bauen beginnt. Ganz zu schweigen davon, wie das neue super-Team (the best of the Lions and the Panthers) bei den High-School-State-Championships abschneiden wird.
Ich werde mir diese Serie definitiv nicht mehr anschauen (ist mir überhaupt unverständlich, dieses Re-Visioning; doch dazu ein andermal), damit ich dieses Trauma der letzten Folge (sie heisst "Always" - ich muss es nochmal sagen) nicht nochmal durchstehen muss.
Ich muss, bis ich eine neue Serie starte, auch einige Zeit verstreichen lassen. Kann FNL nicht gleich mit was anderem ersetzen.
Dass die serielle Erzählweise trotz des Medienwechsels seit dem 17. Jahrhundert (oder schon seit viel früher) die selben Emotionen bei den addicts zeigtigt, ist erstaunlich. Dass diese Erkenntnis bei der Trauerarbeit nicht viel nützt, ist jedoch schmerzlich.

Mittwoch, 27. April 2011

Neuer Begriff für die TV-Serienanalyse: PILOTING

Ist es denn überhaupt noch möglich, einen Überblick zu bewahren, über die vielen vielen Serien, die es gibt? Und wie ist es möglich, eine informierte Entscheidung zu treffen, auf welche Serie man sich einlässt und welche man links liegen lässt? Meist folgt man der Mundpropaganda geschätzter Serienafficionados (die einen dann auch gleich mit der nötigen hardware versorgen!) oder sachdienlichen Hinweisen der vertrauenswürdigen TV-Berichterstattung. Dennoch, mit dem Serientipp verhält es sich ein wenig so wie mit dem Doktortipp: was (wer) für die einen gut funktioniert, tut den anderen nicht gut.
Dagegen hilft nur eins: Piloting. Zu Verkaufszwecken produziert funktioniert der Serienpilot - also die erste Folge einer Serie - ähnlich wie die Eröffnungssequenz eines Spielfilms. Dramaturgisch dicht erzählt, das Figurenarsenal ausbreitend, voller erzähltechnischer Plantings. Ein Pilot enthält die stilistische Grammatik einer Serie, was den visuellen Stil, aber auch den filmischen Stil im Allgemeinen betrifft: wie wird Musik verwendet, welchem Realismuseffekt huldigt die Serie (Kostüme, Ausstattung, Sprache), aus welcher Liga stammt der Cast, welche generischen Regeln der kulturellen Wahrhaftigkeit werden gelten? Feel good? Feel Bad? Haben wir als ZuschauerInnen Wissennsvorsprung gegenüber den Figuren? (Breaking Bad) Oder nimmt uns der Protagonist/die Protagonistin mit auf die Erkundungsreise? (Rubicon)
Komparatives Piloting wird ein Sichtungsverfahren genannt, bei dem mehrere Piloten in einer Sitzung vorgeführt und diskutiert werden. Sehr zu empfehlen! Denn wer will schon in eine Serie reinkippen, und bei der 4 Staffel draufkommen, dass die Serie eigentlich die Zeit gar nicht wert ist, die man schon investiert hat...

Mittwoch, 6. April 2011

Big Love, Staffel 5, Folge 10

Als Meilenstein des seriellen Erzählens muss wohl die letzte Folge der Serie Big Love bezeichnet werden. Eine genaue Analyse der textuellen Strategien sprengt den Rahmen des Blogs, doch das Schließen offener Handlungsstränge bei gleichzeitiger Öffnung neuer Möglichkeiten (das Fundament für eine neue Staffel wäre gelegt! Oder eine neue Serie: "Wifes' Loves").
Die "Epistemologie des Verstecks" jedoch wird in dieser letzten Folge in einer Detailliertheit ausbuchstabiert, die selbst für das komplexe Quality TV oder Cinematic Television oder das Fernsehen überhaupt aussergewöhnlich ist.

Freitag, 1. April 2011

Arrested Development Staffel 1

Courtesy Karin und Helma! Wahnsinnig lustige Serie, mit Liza minnelli, die NICHT Lisa minnelli spielt. Und unsere portia da Rossi als blondes Gift.

Dienstag, 29. März 2011

Lindenstrasse, Folge 3121, "Hajos Geheimnis"

Warum sind mir nur fast alle männlichen Figuren der Lindenstrasse so abgrundtief unsympatisch oder extrem gleichgültig?

Hier die Liste, von ganz schlimm bis gleichgültig:
Momo (diese Frisur ist verbrecherisch)
Hajo (der nervt)
Andi (zustandsgebunden)
Ludwig Dressler (angeber)
Hans Beimar (no comment)
Erich
Klaus
Carsten
Käthe
Vasily

Ausnahmen, irgendwie, sind: Orkan und Murat, Jimi (Mitleid!), Ernesto (Mitleid!), Adi (sehr lustig).

Ist die Serie radikalfeministisch, weil sie die Männerfiguren so negativ zeichnet? Oder kapier ich was nicht?

Breaking Bad, Staffel 2, Folge 4

Ich dachte ja irgendwie, die 2. Staffel ganz gesehen zu haben und hatte mit der dritten begonnen. Da hab ich aber wirklich vieles nicht geschnallt, also zurück an den Start... Richtig angefixt wurde ich allerdings dadurch, dass mir meine Freundin begeistert den Beginn der zweiten Staffel erzählt hat, und analysiert hat, und die ganze Philosophie letztlich auseinandergesetzt hat. Und wirklich, wie hier die Grenzziehung zwischen Gut und Böse verwischt wird, worin nun wirklich der Unterschied zwischen dem bösen Taco und dem verzweifelten, intelligenten Chemieexperten Walt besteht, das ist schon vom feinsten. Die Handlungen unterscheiden die beiden nämlich kaum, sondern nur das schlechte Gewissen, dass der eine dabei hat und der andere eben nicht.

Sonntag, 13. März 2011

Im Angesicht des Verbrechens (D 2010), Episode 1-3

Hab beim Schauen viel über deutschen Realismus versus amerikanischen Realismus nachgedacht. Mir scheint, als ob die amerikanische Quality-Serie an sich (haha) mehr Möglichkeiten schaffen und nützen würde, gesellschaftspolitische Diskurse in die Erzählung einzubinden. Die Darstellung der Mafia-durchdrungenen deutschen Polizei böte ja wahrlich zahllose Gelegenheiten, Themen wie Chancengleichheit, ungeoutete schwule Polizisten, radikale oder zumindest untraditionelle Männer-Frauen-Verhältnisse usw. auszuschlachten. Wir sehen maximal eine frisch Geschiedene, die zur Feier des Tages einen flotten Dreier mit den zwei feschen Kollegen absolviert und das Klischee vom korrupten, untreuen Polizistenehemann... Der Polizeijüngling russischer Abstammung, der an der Scheide zwischen Gut und Böse steht, ist gefühlsmässig auch schon 100 Mal im Tatort-Fernsehen zu sehen gewesen. Andererseits tuts mal wieder gut nach der vielen puritanischen-US-Prüderie knackige nackte Männerhintern unter der Dusche zu sehen.....

Donnerstag, 3. März 2011

Neue Serienkonstante: der schwule Teenager

Vielleicht seit den Waltons (damals allerdings in the closet) ist die Figur des schwulen Teenagers (v.a. männlich) eine beliebte Konstante in Fernsehserien. Letzte Einträge in Glee und United States of Tara. Glee featured den Modedesign-besessenen, ziemlich selbtsbewussten und bald auch beim Vater geouteten Kurt Hummel (!) in einer ziemlich klischierten Repräsentation: bitchy, stilsicher, "one of the girls".

Interessanter ist da schon Marschall aus United States of Tara. Zwar auch klischiert (der intellektuelle, feingliedrige G.W. Pabst-Fan), hat er aber vor allem die dramaturgische Funktion, die Offenheit der Familie rauszustellen, und das gelingt fabelhaft. Mama, Papa und Schwester fiebern mit ihm mit, ob den sein Angebeter auch "in the market" ist. Hervorragend!
Ganz fantastisch bei der einen wie bei der anderen Figur: die Körperbeherrschung der Schauspieler. Teenage-Schlaksigkeit at its best.

Mittwoch, 2. März 2011

Curb Your Enthusiasm

Die amerikanische Obsession mit "Kharma" ist schon interessant: auch in Curb your Enthusiasm spielt sie eine grosse Rolle. Das Muster ist - zumindest in der ersten Staffel - immer das selbe: Personen, die am Anfang der Folge von Jeffrey schlecht behandelt werden, weil er sie für unerheblich befindet, bekommen gegen Ende der Folge die Möglichkeit der Rache. Die dramaturgische Form des Schicksalschlags hat sehr viel mit dem Prinzip des "Liebe-auf-den-ersten-Blick" der Liebeskomödie und des Melodramas zu tun. Der Zufall als Mutter aller Fiktion in Hollywood.

Big Love, Staffel 5, Folge 6 "D.I.V.O.R.C.E." (USA 2011, HBO)

Dass nun endlich - nach Albees Homosexualität - auch die Möglichkeit von lesbischen Identifikationen in Big Love thematisiert werden, ist ganz wunderbar: eine Frau, die einen Ruf Gottes als Priesthood Holder erlebt, sofort ins Fahrwasser schlimmer Anschuldigungen (lesbisch!) gerät, ist klar. Dass die selbst lesbische Mentorin wissenschaftliche Artikel darüber schreibt, welche Rolle lesbisches Begehren innerhalb der Plural-Marriages (polygamy ist ja so politisch unkorrekt...) einnimmt, ist schlichtweg grossartig. Solche Momente in Serien wie Big Love können unter Umständen mehr Spass machen, als eine ganze Staffel L-Word...

Sonntag, 27. Februar 2011

Lindenstrasse, Folge "Bierschläger", 27.2.2011, ARD

"Orkan, wenn du dich nicht änderst, dann bist du gefickt!" (Murat zu seinem Neffen) Was für ein Schluss-Satz, Lindenstrasse zur Zeit grosse Empfehlung: die Rassismus-Diskussion spaltet die Beziehungen (Iffi-Klaus), die Ideologien kochen hoch, persönliche Betroffenheit wird postwendend zu ausgewachsenem Alltagsrassismus. Und dazu gabs noch eine herrliche Montagesequenz: Einblicke in die abendlichen Schlafzimmer und Küchen, von der Häuserfront aus gefilmt.

Big Love, Staffel 5, Folge 1+2 (USA 2011, HBO)

So, nun müssen sie also out in the open leben, die sündigen Polys. Interessant, wie aus der ex-negativo Perspektive die in den ersten vier Staffeln ausbuchstabierte "Epistemologie des Verstecks" (nach Kosovky-Sedgwick) konturiert wird: wer offen seine "Andersheit" lebt, hat natürlich auch mit offen geäußerten Ressentiments zu kämpfen (surprise!); diejenigen, die selbst in the closet leben, sind oft diejenigen, mit den grössten Phobien (internalisierte Polyphobie); schliesslich: die Grenzen der eigenen Existenz, die im Versteck durch die genau gezogene Grenze zur Öffentlichkeit gezogen wurde, muss neu verhandelt werden. Worin besteht nun diese Existenz und Identität, wenn nicht aus der Logik des Versteckens? Wer würde da nicht zu den angestammten Problembewältigungsstrategien greifen: Weinflasche (Barb), Gemeinheit (Niki the Snake), Verleugnung ("all-will-be-fine-Marge"). Big Love ist in vielerlei Hinsicht höchst interessant - die Art und Weise, wie Identitätspolitik verhandelt wird, ist jedoch für eine queere Perspektive mit Sicherheit die Spannendste - weil so wohl bekannte...

Samstag, 26. Februar 2011

Lindenstrasse, Folge 1316 "Rauer Wind", 20.2.2011, ARD

Die Darstellung von Orkan (nomen omen est) ist selbstverständlich rassistisch: bedient jedes Klischee, das über "good-for-nothing" Teenagers mit (türikischem) Migrationshintergrund jemals geäußert wurde. Dass die Figur allerdings so dermassen holzschnittartig gezeichnet ist, lässt auf eine dekonstruktive Strategie der LS-AutorInnen schliessen: die Serie zeigt, wie das rassistische BILD eines post-migrantischen deutschen Teenagers in einem medialen, gesellschaftlichen Zusammenhang hergestellt wird. Take your pick...

Donnerstag, 24. Februar 2011

Boardwalk Empire, 1. Staffel, 13 Folgen (USA 2009, HBO)

Während des Kanarien-Urlaubs konnte ich feststellen, dass die wunderbare von Scorsese produzierte Serie im spanischen Fernsehen scheinbar non-stop ausgestrahlt wird: immer, wenn ich den Hotelzimmerfernseher einschaltete, war da Steve Buscemi in einem seiner outrageous Anzügen zu bewundern. Der Boardwalk von Las Palmas bekam irgendwie gleich eine neue Dimension.
http://www.hbo.com/boardwalk-empire/index.html#/boardwalk-empire/inside/extras/extras/inside-boardwalk-empire.html


Lip Service, Staffel 1, 6 Folgen (BBC Three, UK 2010)

L-Word made in Glasgow. Schon alleine die fehlende CalifornIdiomatik holt die Figuren viel mehr auf den Boden der Realität - oder scheint es nur so, weil sie British, also Europäischer sind? Die Damen (und Herren) werden auch viel mehr dabei gezeigt, wie sie ihr Brot verdienen müssen, und das ist in Glasgow wesentlich weniger glam als in L.A.: erfolglose Schauspielerin mit Gelegenheitsjobs, gemobbte Architektin, talentierte Fotografien, geoutete Polizistin, ein Schriftsteller am Sprung zur Veröffentlichung...
Wirklich nervig ist eine der drei Protagonistinnen, Frankie, und ihr ewig tiefgründiges, leidendes, non-commitment-i-fuck-everybody-because-i-am-so-sad getue: da hatten wir wirklich mit shane schon ad infinitum ausgereizt.
Dass Lip Service - wie The L-Word - in nächsten Staffeln vom relativ harmlosen Beziehungs-Drama zu einem gewagteren Format finden wird (L-Words 5. Film-in-Serie Staffel) ist unwahrscheinlich: fehlender glam heisst wohl auch zu viel bierernsthaftigkeit...

Mittwoch, 26. Januar 2011

Crush: die ewige NebendarstellerInnen als Star einer Serie

Cargo nennt es "Crush": das Auftauchen von SchauspielerInnen, die man in Nebenrollen aus Spielfilmen kennt, in Serien, die sie zu Hauptfiguren machen. Oder in deren Nebenrollen sie aufgrund der epischen Anlage der Serien zu wichtigen Figuren mutieren. Oder wenn SchauspielerInnen ungeahnte Aspekte in Serien entdecken dürfen. Letztes Beispiel Kelly McDonald, bekannt aus "Stella does Tricks", "No Country for Old Men" etc. in Boardwalk Empire an Steve Buscemis Seite. Herrlich!!

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